Perlen des lokalen Journalismus
Häger aus der Asche
- Neue Westfälische, 02.02.2015

DIE 11. LIGA: Der SV Bischofshagen-Wittel war praktisch tot - jetzt macht es allen wieder richtig Spaß
Kreis Herford. Es war zum Mäusemelken: Hauptsponsor weg, Damenabteilung weg, Jugendabteilung weg. Und dann dieses Skandalspiel, das dem SV Bischofshagen-Wittel einen ungewollten TV-Auftritt bescherte. Mitglieder und Spieler wandten sich ab, die Vereinsauflösung war beschlossene Sache. Elf Leutchen hatten sich in "Petras Kneipe" getroffen - und mussten nur noch die Hände zur Abstimmung heben. Dann mischte sich ein Gast ein.
Manfred Katzberg stellt einen kleinen Pokal auf den Tisch. "Als Beweis, dass wir auch mal Erfolg hatten", sagt der Vorsitzende und lacht. In die Kreisliga A seien sie da aufgestiegen. Katzberg gehörte zum Team. Seine Erinnerungen reichen aber noch weiter zurück: "Ich war noch ein Staubwolke-Spieler." Nachdem der Verein 1955 gegründet wurde, spielten die "Häger" zunächst am Marktplatz, auf schwarzer Asche. Bei Trockenheit habe überm Feld eine graue Wand gestanden. Kaum gegründet, hatte der Verein seinen ersten Spitznamen weg: "Staubwolke Wittel".
Später gings an den Neuen Weg. Der Rasenplatz im Löhner Grenzland ist bis heute die Spielstätte. Von da an gings aufwärts. Die Kreisliga B war in diesen Jahrzehnten keine Seltenheit, die 76er-Mannschaft schaffte es noch eine Klasse höher. Zu einem Relegationsspiel gegen die Reserve von TuRa Löhne pilgerten mal 1.200 Zuschauer zum neutralen Gohfelder Sportplatz. Zu einem anderen Spiel kam der WDR - auch wenn der Sport Nebensache war: "Es ging um die Maulwurfshügel auf dem steinhart gefrorenen Platz - die mussten wir vorm Spiel mit der Spitzhacke wegkloppen." Peter Koltzenburg, seit 1991 in allen erdenklichen Funktionen dabei, erinnert sich an ein Spiel der Reserve: "Die lag mal 0:30 hinten! Da hat der Schiedsrichter in der 75. Minute abgepfiffen."
Über 100 Kinder und Jugendliche tummelten sich zwischenzeitlich in den verschiedenen Häger Jugendmannschaften. Koltzenburg ging damals direkt ins berühmt-berüchtigte "gelbe Haus" an der Bünder Straße und holte zahlreiche Flüchtlingskinder zum SV. Und Uschi Sieker, heute Schriftführerin, nutzte ihre Kontakte als Sozialarbeiterin im Jugendzentrum "Riff". Der Verein war damals eine gute Adresse im Mädchen- und Frauenfußball. Uschi Sieker sorgte auch für das jüngste Vereinsmitglied aller Zeiten: Sohn Nils - sein zweiter Vorname ist nicht zufällig "Hagen" - wurde schon vor seiner Geburt zum Häger gemacht. "Heute spielt er in Mennighüffen", sagt die 49-Jährige. Jugendfußball gibts auf dem Wittel nicht mehr.
Das Gefiederte muss ins Runde
- Neue Westfälische, 16.07.2015Kicker vom Hagen nehmen ungewöhnliche Ziele ins Visier / Obernbecker Grundschüler helfen mit
Löhne. Dass das Runde ins Eckige muss, wissen die Fußballer des SV Bischofshagen-Wittel seit mittlerweile 60 Jahren – sonst hätten sie ihr Hobby verfehlt. An dieser Zielsetzung wird sich auch künftig nichts ändern. Die Kicker vom Hagen nehmen aber noch andere Dinge in Angriff. So machten sich am Donnerstag einige Kinder der Feriengruppe der Grundschule Obernbeck daran, zehn Holznistkästen mit Fußballmotiven zu bemalen – in den Häger Vereinsfarben blau und gelb.
„Wir haben seit einiger Zeit so eine Art Umweltbeauftragten im Verein“, sagt Uschi Sieker. „Der hat die Kästen in seiner Garage aus alten Regalböden zusammengebaut.“ Sieker ist Schriftführerin beim SVBW und arbeitet im wahren Leben als Sozialarbeiterin an der Grundschule in Obernbeck. Da lag es auf der Hand, dass sie mit den Kindern der Feriengruppe die Bemalung der Kästen übernehmen würde.
„Die Arbeit fing schon gestern an – wir mussten die Kästen erst mal abschleifen und mit gelber Grundierung versehen“, erklärt Sieker. „Da haben noch viel mehr Jungs mitgemacht, die hatten aber zum Malen keinen Bock.“ Das kann man von Fabian, Jan und Michelle nicht behaupten. Mit großem Eifer verzieren sie die gelben Kästen mit Fußballszenen in Blau. Das Einflugloch für Meisen und Co. fungiert dabei wahlweise als Spielerkopf, Spielgerät oder als „o“ im „Toooor“-Schrei. „Da muss der Vogel durch“, sagt der siebenjährige Fabian und zeigt auf das Loch. Oder um es im Sepp-Herberger-Duktus zu sagen: „Das Gefiederte muss ins Runde.“
Die Kästen sollen im Herbst in einer gemeinsamen Aktion rund um den schön gelegenen Häger Sportplatz am Neuen Weg aufgehängt werden. Löhnes mit Abstand kleinster Fußball-Verein, der nach einem handfesten Skandalspiel vor zwei Jahren kurz vor seiner Auflösung stand (die NW berichtete), erfindet sich im Jahr seines 60-jährigen Bestehens quasi neu: Das Aufhängen der Kästen im Herbst soll nur der Anfang einer Reihe von Aktionen sein, mit denen die Häger zeigen wollen, dass sie sich einer gewissen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind.
„Es ist auch geplant, 60 Bäume zu pflanzen. Außerdem haben wir zu unserer Jubiläumsfeier Mitte August Löhner Flüchtlinge eingeladen. Sie werden Fußball spielen und noch anderweitig ins bunte Programm einbezogen“, erzählt Sieker. Mehr möchte die 50-Jährige aber noch nicht verraten.